Hast du dich schon mal gefragt, warum man Konsultationen und Medikamente vom Arzt der Krankenkasse angibt, Coiffeur Besuche und Haarprodukte dagegen nicht? Dabei ist so ein Besuch sehr wertvoll. Da schaffe ich es doch, mich immer wieder aus dem Wohn-Dorf-Kaff in die Gross-Stadt zu bewegen.
Na ja ... so gross ist Bern zwar nicht, doch immer wieder erstaunt es mich, in welcher Geschwindigkeit man da durch den Bahnhof läuft, welche Geschäfte in neuem Licht erstrahlen und wie blitzartig dort die unzähligen Tram und Busse umherfahren. Hier im Dorfe geht’s ruhiger zu und her, was ich sehr schätze. Und doch, die Haare sind frisch geschnitten und in Form gebracht und nach ein paar dort gesessenen Stunden (jaja, so schnell geht das dann auch in der Stadt nicht, zum Glück!) geht es mir wie immer nach einen Haarschnitt wieder blendend. Ich weiss nun zum Beispiel, dass ich unbedingt noch mal auf den Sternenmarkt muss. Und zwar abends. Da ist die Stimmung wundervoll, die Lichter fantastisch, Glühwein schmeckt auch besser als am Mittag. «Ein Lachsbrötchen, das kleine, das schmeckt so gut!» erfahre ich während dem Haarschnitt, «und danach vielleicht einen Kaiserschmarrn?» Ich werde es mir merken. Hat alles überhaupt nix mit meiner Frisur zu tun, aber so ist das beim Coifeur. Da geht’s um Alles und um Nichts. Um Frauengespräche. Um Schlimmes und Lustiges und Schönes. Und deshalb finde ich, dass es so so wertvoll ist, sich immer wieder die Haare machen zu lassen. Wirkt oftmals besser als viele Medikamente, im Fall! Aber nun muss noch was kaufen, gleich gegenüber, da bin ich froh, nicht weit laufen zu müssen. Kein Geschenk, nein, sondern was sehr Persönliches. Schon fast Intimes. Darüber hab ich noch nie geschrieben. Was für Weihnachten. Eine Weihnachtsstrumpfhose. Eine blaue, blickdichte sollte es sein. Nicht zu eng, schliesslich darf sie nicht einengen, nicht zu Weihnachten, dann nicht. Wo es all die feinen Sachen geben wird! Wir haben gebacken und ... das Lachsbrötchen und den Kaiserschmarrn und ein paar Glühweine sollten auch noch reinpassen. Und jetzt möchte ich noch gestehen, dass ich ... Strumpfhosen gar nicht mag. Jedenfalls nicht die dünnen, synthetischen. Nun, da bin ich sehr heikel. Aber glücklicherweise ist die Strumpfhose sehr schnell gefunden. Ich nehme extra eine Nummer grösser, kann ja nicht schaden über die Weihnachtstage.
100 % Lebensfreude, 100% Bio Baumwolle, 100% Nachhaltigkeit. Steht auf dem Kartoneinband der Strumpfhose. Tönt doch wunderbar! Und rechtfertigt auch den hohen Preis, den ich Coop dafür bezahle. So, nun kann meinem Weihnachtsoutfit nichts mehr im Wege stehen! So schön weich und warm und sicher bequem werden sie sein. Schon bald steht Weihnachten steht vor der Tür und ich freue mich. Merry Christmas! Während der Heimfahrt überlege ich mir, wievielmal ich den Weihnachtssong von Maria C. und Last Christmas von Wham wohl schon gehört habe. Egal, gehört für mich dazu, Kling Glöcklein, fertig schluss.
Weihnachten. Morgens. Statt von schöner Weihnachsmusik geweckt zu werden fährt ein ferngesteuertes Auto ins Zimmer gefahren und anschliessend streckt ein Kind seinen leeren Ikea Adventskalender rein. «Heute war ein richtiges Schoggistängeli und ein Gutschein drin!» Super, zum Glück habe ich den gleichen Kalender. Überraschung perfekt! Ich geh duschen und dann kommts. DIE STRUMPFHOSE löse ich aus der Verpackung und ziehe sie an.
Toll! Sie reicht mir bis unter die Achseln. «Wie ein Mieder,» sagt mein Mann. «Meine Grossmutter hatte früher auch solche an.» Das stellt mich wirklich auf, hurra! «Das kommt daher, dass ich klein bin,» versuche ich zu erklären. «Sehen die nicht eher aus wie eine Schwangerschaftsstrumpfhose?» frage ich ihn. Und er: «Hast du die falschen gekauft?»
Heilandzack! Der Bund oben ist eng wie ein Rollkragen-Pullover-Halsbund aus den Siebzigern. Wie soll man da bloss reinkommen? «Aber so gross ich mein Ranzen doch gar nicht,» denke ich laut. All die Bauchübungen, das viele Gemüse, war das alles für die Katz? Deprimierend, diese Strumpfhose. Wirklich. Oder wie Kate Winslet in meinem alljährlichen Weihnachtsfilm, während sie den Gasschalter dreht, schniefend sagt: «Tiefpunkt! Tiefpunkt.» Ich ziehe die Strumpfhose rauf, und runter und rüber. Ich dehne den Bund. Ich falte ihn runter, über den Bauch. Ich überlege mir, wie ich ihn am besten abschneiden könnte. Den Bund, nicht den Bauch. Ich ziehe mich innerlich zusammen, mache mental in drei Sekunden eine drei Jahres Diät. «Schick die doch zurück, die sind immer froh über ehrliche Rückmeldungen,» sagt mein Mann, während ich die Strumpfhose wieder ausziehe. Ich messe den Bund um meine Taille. «Ich bräuchte 4 davon. Nur um den Bauch herum», sage ich nachmessend. «In der Länge etwa die Hälfte. Die Breite an den Beinen passt perfekt!» Wohlwissend, nicht mit Idealmassen rumzulaufen.
Ich lege die Weihnachtsstrumpfhose flach vor mich hin auf den Boden. Zum Glück habe ich gleich zwei Paare gekauft! Wem die wohl passen würden? Einem Elefanten mit Magenband vielleicht? Nun gut. Wegen einem solchen Fehlkauf will ich mir die Weihnachten nicht verderben lassen. Nicht heute. «Wer kommt spielen?» rufen die Kinder. «Ich komme gleich!» rufe ich, «muss nur noch schnell die neue Strumpfhose einpacken und eine meiner alten anziehen!» Und die Weihnachtsguetzli holen. Passt.
Eine schöne, lustige und bequeme Weihnachtzeit wünsche ich euch
(in alter Strumpfhose), von Herzen, Tonia von Gunten